Schlagwort: Finanzierung

Die sieben größten Fehler beim Startup-Aufbau

Gründerinnen und Gründern haben eine höhere Lebenszufriedenheit. Das sagt zumindest der aktuelle Startup-Monitor. Dieser lobt die Auswirkungen von Startups auf die Wirtschaft. Ein Drittel der Befragten hat allerdings schon einmal ein Startup wieder eingestellt, was überhaupt nicht verwerflich ist. Aber in der Regel hat das mit einem oder mehreren der folgenden Gründe zu tun.

Hier also die sieben häufigsten Fehler, die vor, während und nach der Gründung passieren können und durchaus vermeidbar sind.

  1. Das Geschäftsmodell ist nicht tragfähig. Es gibt zwar eine Idee und auch fachliche Ressourcen, aber es fehlt ein tragfähiges Geschäftsmodell, das entweder schon bei anderen/ähnlichen Unternehmen funktioniert, oder mit ersten Testkunden erprobt wurde. Erste Berechnungen und Modelle sollten erstellt werden, um Cash-Flow, EBIT und Liquidität zu prognostizieren. So zeigt sich schnell, ob Produkt, Markt und Geschäftsmodell zueinander passen.

  2. Ich soll Vertrieb machen? Kann ich nicht. Kann ich nicht, heißt in dem Kontext meist „will ich nicht“. Nehmen wir an, Idee, Ressourcen, Geschäftsmodell sind vorhanden und funktionieren auch mit ersten Testkunden, allerdings gibt es kein nachhaltiges Vertriebskonzept, geschweige denn Vertriebspower. Die Gründer meinen, dass sie das nicht können (weil noch nie gemacht), dass sie erfahrene Vertriebsleute dafür brauchen (die meist das Budget oder das junge Team sprengen). Großer Irrtum. Gerade die Gründer sind es, die in den ersten Jahren andere von ihrer Idee und der Problemlösung ihres Produkts begeistern müssen und Kunden von neuen, disruptiven Lösungen überzeugen können. Um sie herum wächst das Vertriebsteam, und ein nachhaltiges Sales-Mindset hält Einzug im gesamten Unternehmen.


  3. Fehlende Konflikt- und Konfliktlösungskultur im Gründerteam. Man hatte eine geniale Idee und ist soweit, diese nun in die Tat umzusetzen. Auch das erste nötige Startkapital ist vorhanden. Man versteht sich gut und verteilt die Rollen und Verantwortlichkeiten. Im Tagesgeschäft zeigen sich jedoch die ersten Schwächen oder Eigenheiten der anderen. Das Team ist (hoffentlich!) fachlich heterogen zusammengestellt und ist somit aufeinander angewiesen. Wie also damit umgehen, dass Arbeitsweisen, Ansichten, Verständnis von Qualität oder Tagesabläufe überhaupt nicht zueinander passen? Die Lösung heißt konstruktives Streiten. Die Vorbehalte, Kritikpunkte und Lösungsvorschläge müssen auf den Tisch, schonungslos. Dann zeigt sich schnell, ob das Team auch noch in der dritten Finanzierungsrunde zusammensteht.


  4. Liquiditäts-Reichweite und Kapitalakquise-Zyklen werden unterschätzt. Das liebe Geld. Viele Startups scheitern, weil sie die Reichweite der finanziellen Mittel unterschätzen und gleichzeitig zu spät auf (Neu-)Kapitalsuche gehen. Das endet meist in einer schlechten Verhandlungsposition mit Bank oder VC. Die Höhe einer Finanzierungsrunde lässt sich nur selten signifikant durch die Gründer beeinflussen (genauso übrigens wie die Bewertung, aber dazu nächstes Mal mehr), wohl aber die Reichweite und die Zuführung neuen Kapitals. Heißt: Nach der Runde ist vor der Runde. Man kann in Deutschland getrost von durchschnittlich 7 Monaten Anbahnung und 4 Monaten Umsetzung bis zum Closing ausgehen. Dann kommen meist noch in Summe 4 Wochen an Fristen dazu, bis das Geld tatsächlich auf dem Konto zur Verfügung steht. Wer also angesichts seiner Burnrate herausfinden möchte, wann er neue Investoren ansprechen muss, rechnet folgendermaßen:

    • [zur Verfügung stehendes Kapital in EUR] / [Cashburn pro Monat, konservativ, in EUR] = [Reichweite in Monaten]
    • [Reichweite] minus [7 + 4 + 1 Monat] = Startpunkt für die nächste Kapitalsuche.

  5. Zu viele oder die falschen Berater im Boot. Die Formel ist einfach: Wie bei Google Adwords gilt auch hier: Return Of Investment is King. Was kostet mich ein Berater, finanziell und an internen Ressourcen (!) und was hole ich aus ihm heraus? Das weiß man leider zu Beginn nicht, wenn alles noch so wunderbar verheißungsvoll klingt. Endlich einer mit Erfahrung und Interesse am Unternehmen. Soll die Zusammenarbeit erfolgreich werden, sollten alle der folgenden Fragen mit Ja beantwortet werden:

    • Bekommt der Berater ohne Weiteres gute Referenzen von anderen Jungunternehmern?
    • Ist der Beratervertrag auf Anhieb kompakt, leicht verständlich und ohne komplizierte Vergütungsformeln?
    • Kann ich den Retainer ohne Weiteres zahlen (oder hängt das von Umständen ab, die der Berater erst herbeiführen will/soll)?
    • Versteht der Berater auf Anhieb unser Business und hat sich intensiv damit auseinandergesetzt
    • Kann er den Nutzen/Effekt seiner Leistung konkret und ohne Beraterfloskeln („ihr seid noch so jung, da kann ich nichts versprechen“) aufzeigen?
    • Kommt der Wunsch nach diesem Berater vom Gründer, oder wird die Zusammenarbeit von [Investor, Geschäftspartner, Kunde] erwartet?

  6. Die „MAU-Illusion“. „Wir brauchen keinen Umsatz, sondern erstmal nur viele Monthly Active Users (MAU); der Rest kommt von allein. Hat ja bei facebook auch geklappt.“ Sofern nicht Rocket Internet oder ein großer VC aus den USA mit signifikanten Marketing-Budgets investiert ist, der genau diese Strategie versteht und verfolgt, besser nochmal unter 1. Tragfähiges Geschäftsmodell nachlesen.


  7. Zu wenig Schimmer von Betriebswirtschaft. Wer mit den Begriffen Cash-Flow, EBIT, Umsatz, GuV, Deckungsbeitrag, Liquidität 1./2. Grades, Return Of Investment, Aktiva und Passiva … nichts anfangen kann, sollte sich seine BWL-Unterlagen nochmal anschauen. Auch wenn es zunächst unnütz erscheint, eine Handvoll KPIs (vor allem Customer Acquisition Costs und Lifetime Value) müssen von Beginn an implementiert und interpretiert werden; das erspart viel Ärger schärft den Blick auf das Wesentliche (BWA), und man baut sich von Beginn an Indikatoren für Erfolg/Mißerfolg auf.

Startup-Erfolg: Das richtige Verhältnis von Geld und Identität

Geld ist Alles für Unternehmen. Und Geld ist Nichts für Unternehmen.

Wir brauchen es, um Gehälter zu bezahlen, um zu investieren, um Gewinne auszuschütten, um finanzielle Stabilität zu gewährleisten.

Gleichzeitig ist es nichts Wert, wenn es um die Vision, die Idee, die Identität, die Anziehungskraft für Talente und um das Engagement des Teams geht.

Ich bin überzeugt, dass nur mit einer ausgewogenen Balance aus Geld (im Sinne von Investitionskapital) und Menschlichkeit (im Sinne von Identität) nachhaltiger Erfolg möglich ist.

In den letzten 10 Jahren habe ich viele Investoren und M&A-ler erlebt, die dem Faktor „Money“ großes Gewicht beigemessen haben. Man investiere aber hauptsächlich in die Köpfe, heißt es dann mantraartig. In die Identität, in das Potenzial und nicht primär in Kunden, Technologien, Umsätze, sondern in das Potenzial der Typen. Damit lässt sich also rechtfertigen, warum Venture Capital-, Corporate Investments oder (teil-)staatliche Fonds Firmenbewertungen mitgehen, die sich durch BWAs, DCF-Verfahren oder IDW-Standards meist nicht herleiten lassen? Wohl kaum.

Nach etlichen VC-Pitches, zig Verhandlungen und über 10 Jahren Erfahrungen mit unterschiedlichsten Investoren und Unternehmen zwischen 0 und 50 Millionen EUR Umsatz komme ich zu der ernüchternden Erkenntnis, dass dieses vornehmliche Interesse an dem Faktor Identität vom Investor oft anders gemeint und vom Unternehmer häufig fehlinterpretiert wird.

Schließlich schaut der Investor letztlich doch sehr pragmatisch auf seinen Deal-Flow, auf die Due Dilligence, auf die Verträge, auf (prognostizierte) Wachstumsraten, auf sein internes Rating, Finanzplanung und Rendite-Wahrscheinlichkeiten – also auf quantifizierbare Indikatoren.

Während sich doch viele der (angeblich wichtigen) Identitätsfaktoren kaum quantifizieren lassen: Es ist nunmal schwer Teamzusammenhalt, Innovationsstärke, Kundennähe oder Commitment zu messen.

Es muss einem jungen Unternehmer paradox vorkommen, wenn sich der Investor so nachdrücklich für das Potenzial des Teams interessiert und der Deal im nächsten Moment an Banalitäten während der Due Dilligence zu scheitern droht.

„So läuft es nunmal, das ‚Spiel‘ zwischen Investor und Unternehmen“ werden jetzt viele sagen… und habe ich tatsächlich schon viele Investoren sagen hören!

  • Warum ist es so schwierig, eine Balance zwischen „Money“ und „Men“ nicht nur im Tagesgeschäft, sondern eben auch mit Investoren herzustellen?
  • Und ist es überhaupt sinnvoll, diese Balance herzustellen?
  • Profitiert jemand davon, wenn eingeleitete Investitions-, M&A- und Finanzierungsprozesse ins Stocken geraten und der Unternehmer die Belastbarkeit von Vereinbarungen in Frage stellt?
  • Wie steht es um die Nachhaltigkeit der Finanzierung als solche und der Beziehung zwischen Investor und Team?

All diese Fragen sind typische Unternehmerfragen und bringen ihn nicht weiter. Im Gegenteil, je mehr er sich damit beschäftigt, desto schwieriger der Abschluss.

Für den Investor geht es nicht darum, eine Balance herzustellen. Er schaut kalkuliert auf sein Portfolio und auf seine Rendite-Chancen. Sympathie, Athmosphäre, Identität sind gute Einstiegsvoraussetzungen für erste Gespräche, aber letztlich unerheblich, sogar eher hinderlich für die Verhandlungen.

Am Ende entscheidet ein Investor nie nach Bauchgefühl, sondern ausschließlich anhand der Fakten. Es ist zudem nie ein Einzelner, sondern die Gremien (die wiederum ausschließlich die Hard Facts sehen). Letztlich gibt es Verträge, die alle Details festhalten, egal wie nett die Gespräche mit dem Investment Manager beim Italiener waren.

Und trotzdem wären wir schlechte Unternehmer und Geschäftsführer, wenn wir unsere Überzeugungen, Ideen, oder Visionen ignorieren würden. Ich bleibe dabei, die Balance ist entscheidend. Im Gespräch mit dem Neukunden, mit dem Kooperationspartner oder Mitarbeitern würde ich immer Identität vor Kalkül bzw. Money stellen. In der Finanzierung wäre das fahrlässig!

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