Warum nur glauben so viele Manager noch, dass zwar die ganze Branche „disrupded“ wird, es sie aber nicht treffen wird? Warum werden die einst unbekannten Newcomer wie UBER, Tesla, WhatsApp so lange belächelt bis es zu spät ist? 52% der Fortune500-Unternehmen seit dem Jahr 2000 sind verschwunden!
Aber fangen wir mal von vorne an.
Zum Thema Digitale Transformation gibt es doch wirklich genug schlaue Köpfe, die das Thema aus wissenschaftlicher, organisatorischer oder methodischer Sicht diskutieren. Was mir dabei oft nicht gefällt, ist die technokratische Sicht auf das Thema; nur weil „Digitalisierung“ mit Einsen und Nullen zu tun hat, und weil viele dabei an „Software“, an „Cloud“, an „Scrum“ oder allgemein an „neue Technologien“ denken. Und dann, je höher wir in klassischen Organisationsstrukturen nachschauen, gilt viel zu oft das Prinzip „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“.
Sprich, es werden Projektgruppen ins Leben gerufen, die IoT-Lösungen und digitale Geschäftsmodelle (am besten mit Lizenz-Modellen und Recurring Revenues) hervorbringen sollen. Vorstand beruhigt, Mitarbeiter verdrehen die Augen… wieder so ein Thema, das viel Aufwand verursacht und bei dem nichts Zählbares rumkommt.
Wer meint, das sei überzeichnet, hat Recht, zumindest für einen Teil der Industrie. In anderen Teilen ist es nach meinen Erfahrungen teilweise sogar schlimmer.
Grundsätzlich ist das okay, weil Disruption eben genau so funktioniert und damit eben junge, disruptive Unternehmen eine Chance bekommen. Des einen Freud, ….
Meine Überzeugung ist, dass es nicht an den mangelnden methodischen Fähigkeiten, Beratern, am Ehrgeiz des Managements oder am mangelnden Input aus der Belegschaft liegt. Sondern an der Angst im Management, Fehler zu machen.
Das berühmte „Mindest“, also die Mischung aus Überzeugung, Erfahrung, und Identifikation/Haltung steht vor allem Anderen.
Die Digitale Transformation beschreibt nämlich einen Zustand und Ausgangspunkt, in dem nicht etwa ein Veränderungs-Prozess abgeschlossen ist („endlich sind wir digital transformiert“) sondern in dem alle Ressourcen und Stakeholder einer Organisation mutig, wissbegierig, risikofreudig, integrativ und digital denken (!) und handeln. Das Mindset ist entscheidend.
Dass es sich nun um eine „digitale“ Transformation handelt, liegt doch hauptsächlich daran, dass wir im digitalen Zeitalter leben. Dass viele Prozesse und Werkzeuge heute digital vorhanden und möglich sind. Und natürlich daran, dass wir mit Daten, basierend auf Sensoren, Nutzerverhalten, Analytics, mit KI und vernetzten Maschinen vieles tun können, was früher nicht möglich war. Doch das ist nie Selbstzweck, sondern dient doch am Ende wieder der Optimierung oder Neuausrichtung unserer Wertschöpfung.
Bei der Digitalen Transformation geht es also zunächst um ganz elementare Dinge wie Authorship vs. Ownership (Danke @Jason Clarke). Wir denken immer noch, dass wir dem Kollegen oder Mitarbeiter etwas Gutes tun, wenn wir ihm eine Aufgabe geben und er diese in Eigenregie vorantreiben und lösen darf (Ownership). Handeln wir nach dem Prinzip Authorship, definiert dieser Kollege selbst, welches Thema er vorantreibt, wie und vor allem warum er das tut. Nein, keine Anarchie, sondern das passiert in einer sich ständig bewegenden, agilen, kritischen und energiegeladenen Organisation.
Hier ein paar Fragen, die den Grad der Bereitschaft zur echten Veränderung erkennen lassen:
- Erkennen und verstehen wir, dass uns jederzeit ein völlig unbekannter Marktteilnehmer aus sonst-wo-her nach ganz neuen Spielregeln (Geschäftsmodellen) in unserem Kernmarkt angreifen kann/wird?
- Haben wir davor Angst, oder blicken wir dieser Herausforderung positiv und angriffslustig entgegen?
- Trauen wir unseren Kollegen und Mitarbeitern, Managern/Vorständen zu, mit diesen Herausforderungen souverän und weitsichtig umzugehen?
- Haben wir basierend auf unseren eigenen Auswertungen (ja sorry, um die Buzzwords Big Data und Data Science kommen wir auch nicht herum) Indikatoren, die uns eine Einordnung aller Ereignisse im Markt ermöglichen, und uns in eine aktive Rolle bringen?
- Und: betreiben wir Data Science, weil wir davon überzeugt sind, weil wir Freude daran haben neue, kritische Impulse über die Nutzung unserer Produkte oder über die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter und Kunden zu erhalten?
- Sind wir wirklich bereit Kolleginnen und Kolleginnen, Partnern und Kunden zuzuhören, auch wenn sie Sorge davor äußern, dass dieses Change-Management-Programm wieder nur heiße Luft ist? Was antworten wir ihnen?
Und da haben wir immer noch nicht über Methoden, Budgets, konkrete Milestones o.ä. gesprochen. Wir sind immer noch bei der Grundhaltung.
Ich bin davon überzeugt, dass jedes Unternehmen die Chance hat, eines Tages von sich zu behaupten, es sei dem globalen Markt mit anspruchsvollen Kunden, mit (digitaler) Disruption, mit immer neuen Ideen aus der Belegschaft gewachsen. Klar ist aber auch, dass diese „Transformation“ ein Zustand ist, der die gesamte Organisation verändern wird und muss. Ein Zustand, in dem sehr viele alte Pfründe, Verhaltens- und Denkmuster, ersetzt oder sogar ad acta gelegt werden. Ich muss deshalb für mich und die Unternehmung die Fragen beantworten:
- Was treibt uns an? Ist es die Freude daran, Dinge neu zu gestalten, Herausforderungen zu suchen und (mit Rückschlägen) zu bewältigen?
- Warum wollen wir uns verändern? Weil wir unser Unternehmen in fünf oder zehn Jahren in neuen Märkten, in neuen Wettbewerbsumfeldern sehen? – Stichwort Exponential Thinking
- Welche Zielsetzung haben wir (abgesehen von betriebswirtschaftlichen Themen) und sind wir bereit uns selbst einer Disruption zu unterziehen, bevor es andere tun?
Sobald diese Fragen beantwortet sind und die Bereitschaft im Management und in den Teams deutlich erkennbar ist (und erst dann!), kommen die Methoden, Timeline/Meilensteine, Budgets, Verantwortlichkeiten, Personalfragen ins Spiel. Dazu bei Gelegenheit mehr.
Pascal Finette hat einen ganz einfachen Ratschlag, um sein Mindset für andere spürbar und positiv zu verändern:
Once you change your response and attitude from ‚No-but‘ to ‚Yes-and‘ you will enable great potential in your teams.